Hilde Artmeier - wie man einen Verlag findet

 

Die Frage „Wie finde ich einen Verlag?“ beschäftigt naturgemäß viele Jungautor:innen (und übrigens leider nicht nur die, da auch Autor:innen, die schon Veröffentlichen vorzuweisen haben, immer nach ihren Umsatzzahlen gemessen werden). Die Antwort lautet: Man muss sich bewerben wie in anderen Berufsfeldern auch. Und wie auch dort braucht man einen langen Atem und sollte Absagen niemals persönlich nehmen.

 

Grundvoraussetzung der Bewerbung ist natürlich, dass der Text sich in einem vorzeigbaren, am besten optimalen Zustand befindet. Gerade beim ersten Werk empfiehlt es sich ggfs., sich an eine freiberufliche Lektor:in zu wenden, das (inhaltliche und sprachliche) Lektorat kostet aber selbstverständlich, Adressen findet man in einschlägigen Branchenverzeichnissen im Internet. Oft ist es auch hilfreich, auf Testleser:innen zurückzugreifen. Dabei sollte man übrigens mit denjenigen, die nicht nur alles toll finden, was man so geschrieben hat, ausführlicher unterhalten als mit den anderen. Das schmeichelt vielleicht dem eigenen Ego nicht, aber meistens lernt man dazu und merkt, dass man noch einiges verbessern kann. Es ist normal, dass einem selbst der Abstand zum eigenen Text fehlt.

 

Bei welchem Verlag man sich bewirbt, hängt logischerweise von dem Text ab, den man geschrieben hat – ein Verlag, der Prosatexte im Programm hat, kommt nicht zwangsweise für Lyrik oder Sachtexte in Frage. Auch bei Belletristik-Verlagen lohnt sich ein detaillierter Blick ins Verlagsprogramm: Auf welches Genre hat sich der Verlag spezialisiert (Krimi, Thriller, Love and Landscape, historische Romane, Biographien etc.), veröffentlicht er auch Werke von Newcomern, liegt der Schwerpunkt vielleicht eher bei ausländischen Lizenzen? Auch innerhalb der einzelnen Genres gibt es wieder Unterscheidungen (beim Krimi z. B. Regio- oder Länderkrimi, hard boilded oder cozy), und jeder Verlag wählt immer sehr genau aus, ob eine Neuerscheinung in sein Verlagsprogramm passt. Deshalb lautet die erste Regel: Sieh dir die Verlagsprogramme an – im Internet, im Buchhandel, auf Buchmessen – und überlege, welcher Verlag für deinen Text in Frage kommt. Achte auch auf No-name-Verlage, die oft nur im regionalen Bereich aktiv sind, denn wer es geschafft hat, Zugang zur Buchbranche zu bekommen, schafft vielleicht auch den Sprung zu einem größeren Verlag.

 

Literaturagent:innen spielen als Mittler zwischen Verlagen und Autor:innen eine wichtige Rolle. Hier gilt im Grunde dasselbe Prinzip wie bei der Verlagssuche, d. h. nicht jede Literatur:agentin kommt für jeden Text infrage. Natürlich wählen auch die Literaturagent:innen hre Autor:innen sehr sorgfältig aus, und eine (gute) Agent:in zu finden, ist oft genauso schwierig wie einen (guten) Verlag.

 

Manche (auch renommierte) Verlage bieten ihren Autor:innen Verträge über reine Online-Veröffentlichungen an und stellen ihnen bei entsprechenden Verkaufszahlen oft eine Veröffentlichung in gedruckter Form in Aussicht. Das funktioniert nur in seltenen Fällen, da die Zahlen normalerweise sehr hoch angesetzt werden. Wieder andere Verlage veröffentlichen überhaupt nur noch digital. Das hat den Nachteil, dass das eigene Werk vielleicht nie als gedrucktes Buch auf den Markt kommt, kann aber ein Sprungbrett sein.

 

Da der Weg zu einem Verlag oft steinig und mühsam ist, gehen immer mehr Autor:innen längst andere Wege. Sie lassen ihre Werke über BoD (Book on Demand) drucken oder veröffentlichen als Self-Publisher nur im Internet. Dabei sind sie natürlich völlig frei in der Titel- und Covergestaltung, müssen aber alle Kosten dafür selbst tragen. Auch auf das Vertriebsnetz eines Verlags können sie dabei nicht zurückgreifen, d. h. sie müssen selbst den Buchhandel abklappern, der ihre Werke oft nur gegen Kommission auslegt. Wieder andere gründen einen eigenen Verlag, wo sie u. a. ihre eigenen Bücher vermarkten.

 

Zweite Regel: Finger weg von Zuschussverlagen! Gerade weil es so schwer ist, einen (anständigen) Verlag zu finden, fallen manche auf die Versprechungen von unseriösen Verlagen herein, die damit werben, dass sie JEDEN Text veröffentlichen und bei ihnen überhaupt alles besser ist als bei den anderen Verlagen. Sie prahlen mit ihren Kontakten zur Presse oder Veranstaltern im Literaturbetrieb, oft wird auch damit geworben, dass die Autor:in bei der Cover- und Titelwahl alles selbst entscheiden kann (rein rechtlich liegt die Entscheidung, wie Cover und Titel gestaltet werden, übrigens beim Verlag, wobei die Autor:innen in diesen Entscheidungsprozess normalerweise ohnehin miteinbezogen werden). Und auch sonst ist angeblich alles besser als bei den anderen Verlagen. Besser ist alles aber nur für die Zuschussverlage, die ihre Autor:innen abzocken. Sie verlangen für jeden Arbeitsschritt, der normalerweise in den Aufgabenbereich eines Verlags fällt, Geld – z. B. fürs Lektorat, das bei einem seriösen Verlag immer unentgeltlich ist, oder für die Abnahme einer gewissen Stückzahl am Büchern durch die Autor:innen, die diese dann auch noch selbst verkaufen dürfen. Solche Verlage haben weder ein funktionierendes Vertriebsnetz noch sonst etwas, worauf man als Autor:in Wert legen sollte.

 

Dritte Regel: Niemals ein komplettes unverlangtes Manuskript einschicken (egal, ob in gedruckter oder digitaler Form)! Bei einem Roman genügt eine aussagekräftige Leseprobe (nicht mehr als 70, 80 Normseiten, d. h. 30 Zeilen à 60 Anschläge inkl. Leerzeichen) und  ein ausführliches Exposé (detaillierte Inhaltsangabe inkl. Schluss und den wichtigsten Figuren, meist genügen ein paar Seiten). Wenn du vorab telefonisch in Erfahrung bringen willst, an welchen Ansprechpartner du deine Bewerbung schicken sollst, dann überlege dir einen, maximal zwei knappe Sätze, in denen du den Inhalt deines Werks zusammenfasst. Oft wird man danach gefragt, manchmal erfolgt telefonisch schon eine Vorentscheidung (passt ins Verlagsprogramm oder nicht, genau so etwas suchen wir momentan oder nicht).

 

Und last but not least die vierte Regel: Nicht entmutigen lassen, glaube an dich und deinen Text! Bei praktisch jeder Autor:in, die einen Verlag gefunden hat, liegt mindestens ein unveröffentlichtes Manuskript in der Schublade …